25.04.2011 20:00 Heimat, bittersüsse Heimat
Es ist die rüstige Rentnerin mit Einkaufstasche, nicht der Neonazi mit Baseball-Schläger, der seiner schwarzen Mitbürgerin auf der Parkbank Gesellschaft leistet, erfreut von dem exotischen Anblick. Doch die vermeintliche Fremde auf der Bank spricht fließend Deutsch, was ihre neue Nachbarin ganz aufrichtig begeistert. „So eine schwere Sprache! Und so gut gelernt!“ Gar nicht gelernt, sagt die Fremde genervt: „Ich bin deutsch.“ Was dem Fass nun vollends den Boden ausschlägt. „Deutsch? Und farbig?“
Label Noir präsentiert in Heimat, bittersüße Heimat mit Humor, Ironie und bitterem Ernst wie man als (Schwarze) Deutsche bzw. Schwarzer Mensch in Deutschland weder den Humor noch die Hoffnung verliert, „Gutmenschen“ ein Schnippchen schlägt, sich gegen kleine Diskriminierungen und große Unverschämtheiten behauptet, und dennoch manchmal ratlos ist. Da kann Multi-Kulti noch so oft beschworen, der Karneval der Kulturen noch so oft gefeiert werden.
Die Biographien afro-deutscher Menschen, aber auch anderer Bindestrich-Deutscher spiegeln das wider: Sie erzählen von merkwürdigen, skurrilen und leider viel zu selten unbelasteten Begegnungen mit sogenannten „Deutsch-Deutschen“. In fünf Kapiteln besingen, bespielen, besprechen, belachen, beweinen und hinterfragen die LabelNoirs das Deutsch- und das Anders-Sein in all seinen Facetten.
Irgendwo zwischen politischer Satire, Theater und szenischer Lesung inszenieren sie ein kleines Stückchen bundes-republikanischer Wirklichkeit.
Die afro-deutschen Schauspieler überspitzen ihre Figuren mit einer deftigen Portion Situationswitz, in dem allerdings auch ungemütliche Töne stecken. Denn es sind Dialoge mit einem Schlag ins Absurde, Situationen, denen mit Vernunft kaum beizukommen ist. Und sie belegen, dass übertriebenes Verständnis zwar gut gemeint sein mag, aber auch nur eine andere Ausprägung von Unbehagen und diskriminierenden Ressentiments zum Kern haben mag. ‒ Simone Kämpf, nachtkritik.de