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Denken Film

Oniki Eylül

30 Jahre Militärputsch in der Türkei ‒ Filme und Diskussionen

Am 12. September 1980 putschten die Militärs zum dritten Mal in der Türkei. Die einsetzende Verfolgung und Zerstörung hinterließ tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis wie in individuellen Lebensläufen. Die Institutionen und Gesetze der Junta prägen bis heute das gesellschaftliche Leben in der Türkei.

Wir zeigen vier Filme, die sich mit dem Putsch und seinen Folgen auseinandersetzen: Den Dokumentarfilm Kinder des September von Hülya Karcı und Meltem Öztürk, die Spielfilme Uçurtmayı Vurmasınlar von Tunç Başaran und Septembersturm von Atif Yılmaz sowie eine Videoarbeit von Özlem Sulak: September 12 / 12 Eylül.

Neben Diskussionen mit den KünstlerInnen und einem Workshop mit der Politologin Mehtap Söyler über kollektives Trauma und Erinnerungspolitik ist eine Podiumsdiskussion mit dem Autor und Zeitzeugen Atilla Keskin, der Soziologin Pınar Selek und Mehtap Söyler vorgesehen.

Programmübersicht

Freitag, 10.9.2010

18 Uhr: Kinder des September
Deutschland, Frankreich 2009, 74 Min. OmU
Regie: Hülya Karcı, Meltem Öztürk
Fünf junge Menschen, vier Städte (Berlin, Kopenhagen, Zürich und Paris). Jeder Einzelne wurde in einer unterschiedlichen Region der Türkei geboren. Die Gemeinsamkeit ihrer Lebensgeschichten ist, dass ihre Familien die Gewalt des 12.‒September-Putsches durchlebt haben. Was machen jetzt die Kinder, die wegen des Militärputsches vom 12. September, am Rockzipfel ihrer Familien hängend, in jene Staaten auswandern mussten? Wie hat die Zwangsauswanderung ihr Leben beeinflusst? Sind sie, wie einst ihre Familien, politisch aktiv? Tragen sie die Merkmale, die sie zu den „Kindern des September“ macht? ‒ Ein Dokumentarfilm, der sich mit dem Militärputsch vom 12. September 1980 in der Türkei aus der Sicht von fünf Zeitzeugen beschäftigt.
In Anwesenheit von Hülya Karcı und Güneş Göbüt

Samstag, 11.9.2010


16 Uhr: Uçurtmayı Vurmasınlar / Lasst den Drachen fliegen
TR 1989, 100 Min. OmU
Regie: Tunç Başaran
Darsteller: Nur Sürer, Ozan Bilen, Füsun Demirel, Yasemin Alkaya
İnci ist eine politische Gefangene, Barış der Sohn einer anderen Inhaftierten, die wegen Drogenhandels verurteilt ist. Da es draußen niemanden gibt, der sich um ihn kümmern könnte, muss der kleine Barış im Gefängnis aufwachsen. Durch İncis Erzählungen lernt er Natur und die Welt außerhalb der Gefängnismauern kennen. Sein einziger Kontakt nach draußen ist ein kleines Stück Himmel, das man vom Gefängnishof aus sehen kann. Den Papierdrachen, den Barış eines Morgens sieht, findet er sehr aufregend. İnci verspricht ihm, mit ihm spazieren zu gehen und gemeinsam einen Drachen steigen zu lassen…

18 Uhr: Septembersturm
Türkei 1999, 100 Min., OmU
Regie: Atıf Yılmaz
Darsteller: Tarık Akan, Zara, Kutay Özcan, Deniz Türkali
Kurz nach dem Militärputsch 1980 in der Türkei verbringt der 5-jährige Metin einen Tag bei seiner Mutter in der Gefängniszelle. Sie ist in Untersuchungshaft und soll Auskunft über ihren Mann geben, der ebenfalls von der Polizei gesucht wird. Doch die Frau bleibt trotz Folter stumm. Am nächsten Tag holt der Großvater sein Enkelkind aus dem Gefängnis und bringt es auf eine kleine Insel in der Ägäis, wo er mit seiner kranken Frau lebt. Für Metin beginnt ein neues Leben bei den Großeltern: umgeben von neugierigen Nachbarn verbringt er seine Tage am Meer und in den Weinbergen. Aber diese ruhige Zeit endet schlagartig, als sein Vater gefangen wird und nach langen Folterungen als gebrochener Mann zurückkehrt.
In Anwesenheit von Habib Bektaş

Sonntag, 12.9.2010


10 Uhr: Militärische Interventionen, kollektives Trauma und Erinnerungspolitik
Workshop in Kooperation mit dem August Bebel Institut
Woran wir uns erinnern, macht es aus, wer wir sind. Traumata sind nachträgliche schmerzhafte Erinnerungen, die sowohl Betroffene als auch Täter stark prägen. Militärische Interventionen haben wie bewaffnete Konflikte, Massaker, unaufgeklärte Morde, verschwundene Menschen und Folter weitverbreitete kollektive Traumata in der Türkei verursacht. Am 30. Jahrestag des Putschs am 12. September 1980, möchten wir uns auf die heutigen Folgen dieses Ereignisses beziehen. Wie erinnern wir uns an den 12. September? Welche Auswirkungen hat die Vergangenheit jetzt auf uns? Wie können wir diese „Wunde“ heilen? In diesem Workshop wollen wir mit den jungen Erwachsenen auf diese Fragen eingehen, unsere Erinnerungen teilen und voneinander lernen.
Referent/innen: Mehtap Söyler, M.A., M.Sc.
Ort: Ballhaus Naunynstraße, 10‒17 Uhr, Naunynstr. 27, 10997 Berlin Kreuzberg

15 Uhr: September 12 / 12 Eylül
Regie: Özlem Sulak
Videoarbeit, 60 Min, OmU
Özlem Sulak war ein Jahr alt, als die Militärs in der Türkei am 12. September 1980 zum dritten Mal putschten. In ihrer Videoarbeit befragt die Künstlerin zwölf Personen ihrer Elterngeneration nach den eigenen Erlebnissen am 12. September. In einer sehr persönlichen, behutsamen Art erfasst die Künstlerin einen historischen Moment und seine Folgen, die die türkische Gesellschaft bis heute prägen.
In Anwesenheit von Özlem Sulak

17 Uhr: 30 Jahre Militärputsch
Podiumsdiskussion mit Atilla Keskin, Mehtap Söyler und Pinar Selek
In Kooperation mit dem August Bebel Institut
Die Politikwissenschaftlerin Mehtap Söyler gibt einen Überblick über die Forschung zum Begriff des „tiefen Staates“ ‒ der Annahme, daß die staatlichen Institutionen in der Türkei von inoffiziellen Strukturen beherrscht werden, die Erbmasse der Militärdiktatur sind. Welche Rolle spielt diese Annahme in der Erinnerungspolitik? Ist sie nachprüfbar? Die Soziologin Pınar Selek spricht über die post-diktatorische Generation der nach 1980 Geborenen: Die Vernichtung der traditionellen Linken hat zwar einerseits den Rückzug ins Private gefördert, andererseits aber neue Formen politischen Engagements im feministischen, queeren, ökologischen oder postmodernen Kontext ermöglicht. Atilla Keskin, Zeitzeuge zweier Militärputsche, erläutert ausgehend von den Auswirkungen des Septemberregimes auf die türkische Gegenwartsliteratur die Problematik des zeitgeschichtlichen Erinnerns. Im Mittelpunkt der gemeinsamen Diskussion soll die Frage nach dem Erbe von 1980 in der heutigen Gesellschaft und dem Potential zur aktiven Veränderung eines im Wandel begriffenen Landes stehen.