Das afropolitane Berlin hat eine jahrhundertelange Geschichte. Dem internationalen Diskurs zu Schwarzer Identität aber hinkt Deutschland um Längen hinterher. Ob es um die eigene koloniale Vergangenheit geht, um die tief eingeschriebenen Muster von Rassismus in Institution und Alltag oder eben um die Vielfalt Schwarzer Lebenswelten als selbstverständliche Facette deutscher Gesellschaft – der Nachholbedarf ist immens. Das zeigen die neuerdings regelmäßig geführ- ten Feuilleton-Debatten etwa zum Einsatz von „Blackface“ auf der Theaterbühne oder rassistischem Vokabular in Kinderbüchern.
Schon in der letzten Spielzeit intervenierte das Ballhaus Naunynstraße mit regelmäßigen Diskussions- veranstaltungen in die erhitzt geführte Debatte. Als Labor für Strategien des Aufbegehrens gegen Diskriminierung bietet das postmigrantische Theater in Kreuzberg eine Bühne für translokale Perspektiven, deren Selbstverständlichkeit noch nicht gegeben ist. Doch selbstbewusste ProtagonistInnen und künstleri- sche Praxen sind längst hier. Höchste Zeit für ein Heimatfest!
Nach der Sommerpause öffnet das Ballhaus seine Türen unter der künstlerischen Leitung von Wagner Carvalho und Tunçay Kulaoğlu. Die Spielzeit 2013/14 führt einen neuen Schwerpunkt ein: Vier Wochen im Spätsommer besetzt das Festival Black Lux – Ein Heimatfest aus Schwarzen Perspektiven das postmig- rantische Theater.
Mit internationalen und deutschen Gastspielen, einer neuen Eigenproduktion und dem breit gefächerten Rahmenprogramm schafft Black Lux einen prall gefüllten Raum des interdisziplinären Austauschs und führt erstmals aktuellste internationale Performance- Arbeiten mit Impulsen aus der deutschen Kunstszene zusammen. Die KünstlerInnen vereint die grenzgän- gerische Konfrontation mit der eigenen Identität, wenn Sprache, Körperlichkeit und Konfigurationen von Gender in kreativer Widerständigkeit erkundet werden.
Wir präsentieren die Deutschland-Premieren der Tanz-/Performance-Stücke von Cie Artincidence (Martinique/Frankreich) und Victor D‘Olive (Brasilien). Unsere erste eigene Premiere in der neuen Spielzeit ist die Uraufführung von Elizabeth Blonzen's Stück Schwarz tragen in der Regie von Branwen Okpako. Der Choreograf Ricardo de Paula und die Regisseurin Simone Dede Ayivi, beide bereits am Ballhaus bekannt, kommen hier als PerformerInnen auf unsere Bühne.
Doch das Festival beschränkt sich nicht auf die Bühne, sondern schafft multimediale Assoziationsräume. Asoka Esuruoso kuratiert die Videoinstallation Black Mirrors. Memory. Body. Identity. mit Arbeiten von Branwen Okpako, Jamika Ajalon, Sinethemba Twalo, Thabo Thindi, Juli(a) Rivera und Melody LaVerne Bettencourt. Die Klanginstallation Backstreet Voices Powertrip von Noah Sow bringt das gesamte Haus zum Schwingen. Deborah G. Moses-Sanks’ Fotoserie Community, On Common Ground spürt den Fäden nach, aus denen gemeinsame Identität gewebt wird. In Zusammenarbeit mit der Initiative Schwarze Deutsche e.V. präsentieren wir zudem ein interaktives kollektives Selbstporträt: Die Ausstellung Homestory Deutschland erkundet den aktiven und bewussten Gestaltungswillen Schwarzer Menschen in Deutschland von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart.
Außerdem laden wir herzlich ein zu szenischen Lesungen und Vorträgen, Dokumentar- und Kurzfilmen, einem Konzert mit dem Rapper Amewu sowie einer Ausgabe unserer Kiez-Monatsschau. Wir freuen uns auf einen intensiven Festivalmonat mit inspirierendem Austausch auf der Bühne und im spätsommerlichen Hof in der Naunynstraße!