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Musik Theater

Oksus

Kammermusikalische Miniaturen von Marc Sinan Company

Die ersten Klänge sind schon verwirrend heimisch. Ein Cembalo, eine Bassklarinette, eine E-Gitarre und ein Schlagzeug. Das klingt wie die Abenteuer der wagemutigen Jazzer Albert Ayler oder McCoy Tyner in die Wärme einer Kammermusik, die sie dem alten Europa erst abtrotzen mußten. Es gibt einen Groove, es gibt intelligente, gegenläufige Muster, die sich zu einem Webeteppich verdichten. Nach einiger Zeit schaltet der Bandleader eine Videoinstallation hinzu: Kommunizieren werden die vier Berliner an der Grenze zwischen Jazz und zeitgenössischer Kammermusik nun mit Musiker/innen, die in Usbekistan aufgenommen wurden, in überbordend ornamentierten, musealen Räumen oder auf der kargen, weiten Flur, wo der Wind in die Hosenbeine und ins Mikro weht.

Marc Sinan hat das Konzept der musikethnologischen Reise mit Mikro und Kamera nicht erfunden. Aber er hat eine klare Entscheidung getroffen, auf Schlagworte und Rezeptformeln wie Dialog, Brücke und Fusion zu verzichten. Zugunsten der usbekischen Musiker/innen und zugunsten der hiesigen Hörer/innen, denen ein weiteres „X meets Y“ erspart geblieben und ein Zugang zu den phantastisch kantigen Musiken Zentralasiens eröffnet wurde. Bereits die Vorgängerproduktion, das mit dem UNESCO-Sonderpreis ausgezeichnete Orchesterstück HASRETİM, bot als musikalische Reise nach Anatolien faszinierende Videoaufnahmen, die von den Dresdner Sinfonikern frei übermalt oder klug glossiert wurden. Oksus hingegen verspricht eher ein Trip als eine Reise zu werden.

Der Cembalist Rolf Zielke, der Klarinettist Claudio Puntin und der Schlagzeuger Heinrich Köbberling unterstützen Marc Sinan auf seiner Suche nach dem Dissonanten im Hochzeitssong, dem Filigranen im Hirtengesang und der polyrhtyhmischen Passacaglia im sakralen Lied eines blinden Barden. Wo sich die Videoinstallation zu den vier Kammermusikern gesellt, bleiben sie in ihrer eigenen Sprache und entraten der Versuchung, fremde Tonalitäten zu imitieren. Sie trennen einzelne Motive, Patterns oder Ideen aus dem Videomaterial und entwickeln darüber ihr eigenes Interplay. Durch diesen Ansatz werden immer wieder Räume geschaffen, in denen sich die usbekische Musik entfalten kann, ohne auf hiesige Hörgewohnheiten zurechtgestutzt zu werden. Es ergibt sich eben nicht ein vermeintlich organisches Ganzes, dafür aber auch nie ein Brei, der alle nähren soll und doch niemandem schmeckt. Das Fremde bleibt fremd und das Wilde wild. An jeder Stelle können wir die Sprache der zeitgenössischen Musik als Vermittler nutzen, um in die Videos der unpolierten usbekischen Sänger/innen einzutauchen, oder die eingängigen Motive der Folksongs als Führer durch das abenteuerliche Land der zeitgenössischen Kammermusik mit ihren überraschenden Sounds und herausfordernden Strukturen annehmen.