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Samstag, 23.09.2017 – Mittwoch, 13.12.2017

Republik Repair

Republik Repair eröffnet Raum für Neuinterpretationen der Forderun­ gen nach Reparationen und reparato­ rischen Formen. Der Ausgangspunkt hierfür ist unsere Lebenssituation hier in Berlin, Deutschland und Europa. Politisch und performativ übersetzt das Programm dekolonisierte Hei­lungs­ und Reparationsmethoden für unsere Gemeinschaften.

Republik Repair reagiert auf den transnationalen Ruf nach Repara­ tionen und Gerechtigkeit mit einer Reihe von Theater­, Film­, Tanz­, Performance­, Literatur­ und Dis­kussionsveranstaltungen in Berlin, im Ballhaus Naunynstraße. Das Festi­val fordert Schwarze Künstler*innen, Aktivist*innen, Wissenschaftler*in­ nen und Performer*innen dazu auf, sich reparatorische Räume zu denken und einzunehmen, und fungiert als Forum für unsere eigenen Forderun­ gen nach Reparationen.

Ein 10­Punkte­Aktionsplan gibt die­ sem provokanten Festival Schwarzer Perspektiven einen Rahmen. Ange­lehnt ist dieser an den Forderungs­ katalog der der Gemeinschaft Kari­bischer Staaten (CARICOM). Hierin fordern sie von den ehemaligen Kolo­nialstaaten in zehn gesellschaftlichen Bereichen wesentliche Bemühungen zur Überwindung der Missstände, deren Ursprung auf Versklavung und Kolonialismus zurückzuführen sind. Republik Repair geht davon aus, dass diese zehn Punkte, auch wenn sie sich auf karibische Bedingun­ gen beziehen, für alle Schwarzen und ihre Themen weltweit von Bedeutung sind. Hier in Berlin finden jene von uns, die sich als Schwarz bezeichnen – trotz der Narben des historischen Unrechts, das noch immer unseren Zugang zu Gleichberechtigung, Teil­ habe und Anerkennung erschwert – kreative Ansätze, um in relativer Frei­heit leben zu können. Republik Repair malt sich das Potenzial dieser Energie aus, wenn diese Hürden fielen, wenn sie weltweit fielen.

Der 10­Punkte­Plan der CARICOM für Reparationen und Gerechtigkeit bie­ tet eine eindrucksvolle Struktur, die sich weiterentwickeln lässt, zum Bei­spiel, indem wir durchdenken, wel­che Forderungen sich aus weiblichen und queeren Schwarzen Erfahrun­gen ableiten lassen. Die Vielfalt des Schwarzen Berlins versetzt Republik Repair auf einzigartige Weise in die Lage, das Gespräch über Reparati-­ onen auch für intersektionale Per­spektiven zu öffnen. Durch Podi­umsdiskussionen schafft das Festival Raum für Debatten über politische Strategien des Empowerments, der Befreiung und politischen Repräsen­tation. So lädt die Veranstaltung Völkermord verjährt nicht Mitglieder des Nama Genocide Technical Committee und der Ovaherero Genocide Foun­dation zu einer Diskussion darü­ber ein, wie wir die Forderung nach umfassender formaler Entschuldigung – so lautet die erste Forderung des CARICOM­Plans – und Repara­tionen für den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts unterstützen können.

Germany Learns to Read (Deutsch­ land lernt lesen) stellt die Forderung nach Alphabetisierung auf den Kopf – es sind die Institutionen und Struk­turen in Deutschland, die zu lernen haben, die ihren Analphabetismus gegenüber kolonialer Geschichte und ihren Auswirkungen zu überwin­den haben. Da wir darauf hinwirken müssen, dass unsere Regierungen die bisherigen Praktiken des Debt as Governance (Schulden als Herr­ schaftspraxis) stoppen, thematisie­ren wir den Schuldenerlass; und wir sprechen mit indigenen Gruppen über gemeinsame Formen des Widerstands gegen Verdrängung, Leugnung und Auslöschung. Prof. Verene A. Shepherd, die Vizepräsidentin der CARICOM und neue Leiterin des Centre for Repara­tions Research, wird über den aktuel­len Stand der Reparationsforderungen berichten. Es ist an der Zeit zu fragen, wie die Schuldderer, die von der Herr­schaft über andere profitierten, begli­chen werden soll und unsere Republi­ken wieder geheilt werden können.

Es gibt viele Resonanzen bei Republik Repair – die Rhythmen und Beats dieser Themen, Ideen und Methoden erzeugen zwischen Künstler*innen und Performances einen Widerhall im Programm; aber auch mit denvergan­genen Veranstaltungen und Festivals am Ballhaus Naunynstraße. Ein roter Faden ist dabei die Idee von Archi­ven als Teil der Reparation, ob es sich nun um Pflanzen handelt (Right to Mourn, Right to Monument), persön­liche Sammlungen historisch wichti­ger Ephemera (Sankofa BRD/ Sankofa DDR), Körper (Unrestricted Contact) oder die Art und Weise, in der wir uns treffen und organisieren (Resistance to Erasure, Methods of Belonging). Die Anerkennung der Oral History als legitimem Dokument von Erfahrun­gen und Geschichte ist die zugrun­deliegende Prämisse der öffentlichen Lesung Die Gelegenheit, der Republik Repair­Ausgabe der Kiezmonatsschau der akademie der autodidakten, der musikalischen Prosa von Matondo und Amewu, des Listening Workshops und der Podiums­Jamsession Pepperpot. Sowohl die eröffnende Theaterpro­duktion Walking Large wie auch die Movement Happenings erkunden auf unterschiedliche Weise unsere indi­viduellen und kollektiven Schritte als Schwarze, und wie unsere Haltung sowohl buchstäblich als auch bild­lich Raum einnehmen kann in die­ser Gesellschaft. Der Neologismus Blackognitions kündigt eine Reihe experimenteller Filminstallationen an, die unterschiedliche Auffassungen des Schwarzseins ansprechen. Auch das Kunstwerk We Returned the Burdens That We Bore to Their Rightful Owners, Having Realized That We Never Owed Them a Thing setzt sich auf einer persönlichen Ebene damit auseinander, indem es porträtiert, was das Schwarze Subjekt sich selbst schuldig ist. Diese Resonanz zwischen Werken und Veranstaltungen ist eine Art, Raum zu beanspruchen. Die Idee, sich Lebensumwelten zu errichten, haben viele der Beiträge gemeinsam – wie und warum wir uns als Schwarze Menschen Raum für uns selbst schaf­ fen, um unsere Arten des Seins und Wissens zu leben und weiterzugeben.

Republik Repair entsteht nicht im luftleeren Raum – es ist ein Pro­dukt dessen, was am Ballhaus Nau­ nynstraße mit den Festivals Black Lux und We Are Tomorrow vorausging, und dessen, was noch kommen wird. Schwarze Perspektiven können nicht auf einer linearen Zeitlichkeit aufge­ tragen werden, denn Schwarzsein hat viel mit einer kapitalistischen Weltan­schauung zu tun, die schon bestand, als noch niemand von uns geboren war, und es wird durch die ewige Hoffnung auf eine bessere Zukunft getragen, die auf einer Korrektur die­ ser externen Anschauung basiert. Wir sind also Zeitreisende, auch wenn wir stillsitzen.

Imaginings sind eine Werkstatt, ein Studio oder ein Gewächshaus – Räume, in denen heilende Methoden in andere Kontexte gebracht und umgearbeitet werden können, um neue Arten des Denkens und der Kommunikation zu schaffen. Wenn man diese neuen Per­spektiven auf politische Bedingungen ansetzt, können sie „reparatorisch“ sein. Werden sie geteilt, werden diese Imaginings und Entwürfe zu konkre­ten Belegen und Zeugnissen auf dem Weg zu Reparationen.