Republik Repair eröffnet Raum für Neuinterpretationen der Forderun gen nach Reparationen und reparato rischen Formen. Der Ausgangspunkt hierfür ist unsere Lebenssituation hier in Berlin, Deutschland und Europa. Politisch und performativ übersetzt das Programm dekolonisierte Heilungs und Reparationsmethoden für unsere Gemeinschaften.
Republik Repair reagiert auf den transnationalen Ruf nach Repara tionen und Gerechtigkeit mit einer Reihe von Theater, Film, Tanz, Performance, Literatur und Diskussionsveranstaltungen in Berlin, im Ballhaus Naunynstraße. Das Festival fordert Schwarze Künstler*innen, Aktivist*innen, Wissenschaftler*in nen und Performer*innen dazu auf, sich reparatorische Räume zu denken und einzunehmen, und fungiert als Forum für unsere eigenen Forderun gen nach Reparationen.
Ein 10PunkteAktionsplan gibt die sem provokanten Festival Schwarzer Perspektiven einen Rahmen. Angelehnt ist dieser an den Forderungs katalog der der Gemeinschaft Karibischer Staaten (CARICOM). Hierin fordern sie von den ehemaligen Kolonialstaaten in zehn gesellschaftlichen Bereichen wesentliche Bemühungen zur Überwindung der Missstände, deren Ursprung auf Versklavung und Kolonialismus zurückzuführen sind. Republik Repair geht davon aus, dass diese zehn Punkte, auch wenn sie sich auf karibische Bedingun gen beziehen, für alle Schwarzen und ihre Themen weltweit von Bedeutung sind. Hier in Berlin finden jene von uns, die sich als Schwarz bezeichnen – trotz der Narben des historischen Unrechts, das noch immer unseren Zugang zu Gleichberechtigung, Teil habe und Anerkennung erschwert – kreative Ansätze, um in relativer Freiheit leben zu können. Republik Repair malt sich das Potenzial dieser Energie aus, wenn diese Hürden fielen, wenn sie weltweit fielen.
Der 10PunktePlan der CARICOM für Reparationen und Gerechtigkeit bie tet eine eindrucksvolle Struktur, die sich weiterentwickeln lässt, zum Beispiel, indem wir durchdenken, welche Forderungen sich aus weiblichen und queeren Schwarzen Erfahrungen ableiten lassen. Die Vielfalt des Schwarzen Berlins versetzt Republik Repair auf einzigartige Weise in die Lage, das Gespräch über Reparati- onen auch für intersektionale Perspektiven zu öffnen. Durch Podiumsdiskussionen schafft das Festival Raum für Debatten über politische Strategien des Empowerments, der Befreiung und politischen Repräsentation. So lädt die Veranstaltung Völkermord verjährt nicht Mitglieder des Nama Genocide Technical Committee und der Ovaherero Genocide Foundation zu einer Diskussion darüber ein, wie wir die Forderung nach umfassender formaler Entschuldigung – so lautet die erste Forderung des CARICOMPlans – und Reparationen für den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts unterstützen können.
Germany Learns to Read (Deutsch land lernt lesen) stellt die Forderung nach Alphabetisierung auf den Kopf – es sind die Institutionen und Strukturen in Deutschland, die zu lernen haben, die ihren Analphabetismus gegenüber kolonialer Geschichte und ihren Auswirkungen zu überwinden haben. Da wir darauf hinwirken müssen, dass unsere Regierungen die bisherigen Praktiken des Debt as Governance (Schulden als Herr schaftspraxis) stoppen, thematisieren wir den Schuldenerlass; und wir sprechen mit indigenen Gruppen über gemeinsame Formen des Widerstands gegen Verdrängung, Leugnung und Auslöschung. Prof. Verene A. Shepherd, die Vizepräsidentin der CARICOM und neue Leiterin des Centre for Reparations Research, wird über den aktuellen Stand der Reparationsforderungen berichten. Es ist an der Zeit zu fragen, wie die Schuldderer, die von der Herrschaft über andere profitierten, beglichen werden soll und unsere Republiken wieder geheilt werden können.
Es gibt viele Resonanzen bei Republik Repair – die Rhythmen und Beats dieser Themen, Ideen und Methoden erzeugen zwischen Künstler*innen und Performances einen Widerhall im Programm; aber auch mit denvergangenen Veranstaltungen und Festivals am Ballhaus Naunynstraße. Ein roter Faden ist dabei die Idee von Archiven als Teil der Reparation, ob es sich nun um Pflanzen handelt (Right to Mourn, Right to Monument), persönliche Sammlungen historisch wichtiger Ephemera (Sankofa BRD/ Sankofa DDR), Körper (Unrestricted Contact) oder die Art und Weise, in der wir uns treffen und organisieren (Resistance to Erasure, Methods of Belonging). Die Anerkennung der Oral History als legitimem Dokument von Erfahrungen und Geschichte ist die zugrundeliegende Prämisse der öffentlichen Lesung Die Gelegenheit, der Republik RepairAusgabe der Kiezmonatsschau der akademie der autodidakten, der musikalischen Prosa von Matondo und Amewu, des Listening Workshops und der PodiumsJamsession Pepperpot. Sowohl die eröffnende Theaterproduktion Walking Large wie auch die Movement Happenings erkunden auf unterschiedliche Weise unsere individuellen und kollektiven Schritte als Schwarze, und wie unsere Haltung sowohl buchstäblich als auch bildlich Raum einnehmen kann in dieser Gesellschaft. Der Neologismus Blackognitions kündigt eine Reihe experimenteller Filminstallationen an, die unterschiedliche Auffassungen des Schwarzseins ansprechen. Auch das Kunstwerk We Returned the Burdens That We Bore to Their Rightful Owners, Having Realized That We Never Owed Them a Thing setzt sich auf einer persönlichen Ebene damit auseinander, indem es porträtiert, was das Schwarze Subjekt sich selbst schuldig ist. Diese Resonanz zwischen Werken und Veranstaltungen ist eine Art, Raum zu beanspruchen. Die Idee, sich Lebensumwelten zu errichten, haben viele der Beiträge gemeinsam – wie und warum wir uns als Schwarze Menschen Raum für uns selbst schaf fen, um unsere Arten des Seins und Wissens zu leben und weiterzugeben.
Republik Repair entsteht nicht im luftleeren Raum – es ist ein Produkt dessen, was am Ballhaus Nau nynstraße mit den Festivals Black Lux und We Are Tomorrow vorausging, und dessen, was noch kommen wird. Schwarze Perspektiven können nicht auf einer linearen Zeitlichkeit aufge tragen werden, denn Schwarzsein hat viel mit einer kapitalistischen Weltanschauung zu tun, die schon bestand, als noch niemand von uns geboren war, und es wird durch die ewige Hoffnung auf eine bessere Zukunft getragen, die auf einer Korrektur die ser externen Anschauung basiert. Wir sind also Zeitreisende, auch wenn wir stillsitzen.
Imaginings sind eine Werkstatt, ein Studio oder ein Gewächshaus – Räume, in denen heilende Methoden in andere Kontexte gebracht und umgearbeitet werden können, um neue Arten des Denkens und der Kommunikation zu schaffen. Wenn man diese neuen Perspektiven auf politische Bedingungen ansetzt, können sie „reparatorisch“ sein. Werden sie geteilt, werden diese Imaginings und Entwürfe zu konkreten Belegen und Zeugnissen auf dem Weg zu Reparationen.